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Interview mit Street Art Kunstsammlerin Isabel Königsstetter

Isabel Königsstetter, eine passionierte Street Art Sammlerin aus Wien, hat sich vor einiger Zeit bereit erklärt mir ihre mit Leidenschaft gefüllte Kunstsammlung zu demonstrieren. Ich kenne Isabel aus eins der vielen INOPERAbLE Vernissagen und wusste, dass sie „Stammkundin“ der Galerie ist. Bei einem ersten Besuch in ihr trautes Heim sprachen wir über das Paradoxon Straßenkunst in seine eigene vier Wände zu stellen, die letzte große Street Art Ausstellung im MOCA in L.A. und die nächsten upcoming artists in der Street Art Szene. Ein Nachmittag ganz einer Diskussion über Street Art und Co. gewidmet – besser geht’s nicht.

Fotos von Dimitri Aschwanden

artpjf: Wieso Street/Urban Art? Ist es nicht, rein begrifflich gesehen, ein Widerspruch in sich Kunst von der Straße zu sammeln?

I.K: Begrifflich vielleicht, aber das spielt keine große Rolle für mich. Nicht alle gehen den Weg in die Galerien oder bieten gerahmte Kunst zum Verkauf an; ich denke es ist gut und wichtig, wenn es auch solche Street Artists gibt. Aber ich freu mich dennoch und finde es spannend, wenn es manche in die Galerien schaffen und dort Anerkennung für ihre Arbeiten erlangen und imstande sind mit ihrer Kunst Geld zu verdienen. Darum geht es ja hauptsächlich.
artpjf: Wieso keine normale, renommierte zeitgenössische Kunst aus renommierten zeitgenössischen Galerien?

I.K.: Das würde meinen Rahmen sprengen. Wenn ich mich auch noch für ‚klassische’ zeitgenössische Kunst interessieren würde, hätte ich Angst, mich komplett darin zu verlieren.. Mein Herz schlägt für Street Art, Kunst die außerhalb diesem zeitgenössischen Kunstmechanismus steht.
artpjf: Würdest du ein Piece von einem Street Artist aus der Wand reißen oder auf eine andere entfernen, um es bei dir aufzuhängen?

I.K.: Niemals! Das wäre Diebstahl an der Gesellschaft. Die Kunst sollte frei zugänglich und für jede/n sichtbar sein. Ich finde auch den Aspekt der Vergänglichkeit wichtig für Street Art; dass die Werke mit der Zeit ihre Farbe verlieren oder darüber gemalt wird. Das gehört zu den Spielregeln dazu, das nehmen die Künstler auch in Kauf.


artpjf: Sollte deiner Meinung nach Straßenkunst legalisiert werden?

I.K.: Absolut. Aber tags sollten ebenfalls Teil davon sein, auch wenn das viele als reine Schmiererei empfinden und als unschön betrachten – tags gehören dazu.

artpjf: Was sagst du zur Ausstellung „Art in the Streets“ die von April bis August 2011 im MOCA in LA lief? Man hat in dieser Ausstellung versucht Street Art und Graffiti in einen historischen Kontext zu stellen und hat dabei unterschiedliche Positionen internationaler Street und Graffiti Artists gezeigt. (Bericht zur Ausstellung auf stylemag-online.net)

Der Dokumentarfilm der Ausstellung OUTSIDE IN, das im Gegenpart zum bekannten Street Art Kurzfilm INSIDE OUTSIDE steht (mehr dazu im Artikel From Graffiti to Street Art @ Urban Art Galerie INOPERAbLE Wien), zeigt den Aufbau der Ausstellung, sowie die unterschiedlichen Statements der Künstler und die Reaktionen der Museumsbesucher. Wie hast du auf den Film beziehungsweise die Ausstellung reagiert?

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I.K.: Mir sind die Tränen gekommen. Es war Wahnsinn all diese wichtigen und unterschiedlichen Künstler zusammen in einem Museum zu sehen. Die Geschichte mit Jeffrey Deitch und Blu kann man sehen wie man will… ist eine arge Aktion… aber ich verstehe beide Seiten.

artpjf: Was ist da genau passiert?

I.K.: Jeffrey Deitch ist ja der neue Leiter vom MOCA. Er hat Blu beauftragt die Rückwand vom MOCA zu bemalen und war aber zu der Zeit nicht in der Stadt. Blu hat dann zusammen mit seinen Helfern begonnen ein massives Panorama von Särgen drapiert mit Dollar Scheinen zu malen. Das Problem war, dass gegenüber vom Museum das L.A. Veterans‘ Affair Hospital war, sowie das Go For Broke Monument, das zu Ehren der japanischen und amerikanischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs. Als Jeffrey Deitch dann zurückgekommen ist, war Blu noch nicht mal fertig mit der Arbeit. Sofort ließ man die Wand übermalen und Blu wusste nichts davon. Das war das große Skandal rund um diese Ausstellung.

Blu ist bekannt dafür, dass er so provokante Sachen malt und es gab dann eine riesen Medientrubel rund um diese Sache. Die nächste Katastrophe war, dass KATSU, ein amerikanischer Künstler, der mit Feuerlöschern seine tags macht, erwischt und verhaftet wurde, und einige andere wie Space Invader.

Das Konzept an sich, die Geschichte von Graffiti und Street Art in der Ausstellung zu zeigen, finde ich ganz toll. Das Video zeigt die Aufbautage, wie sie sich alle treffen und alle wochenlang an dieser Ausstellung nebeneinander arbeiten. Swoon, Os Gemeos zum Beispiel haben alle ihre Wunderwelten aufgebaut, das war fantastisch! Ich find‘s toll, dass diese Kunstbewegung es in ein so großes Museum geschafft hat. Für mich ist die Graffiti und Street Art Bewegung das größte „Kunst Movement“ seit Pop Art. Es ist riesig und es hat es auch verdient, gezeigt zu werden. Es trägt vor allem auch zum Verständnis bei. Das war sicher aufklärend.

artpjf: Was sind die Schwierigkeiten beim Erwerb von Street/Urban Art Werken?

I.K.: Es ist oftmals schwierig limited Edition Drucke von bekannten Künstlern zu erwerben. Das kann manchmal ziemlich aufregend sein, wenn zum Beispiel die Stückzahl so gering ist, dass die Stücke innerhalb von 3 Minuten ausverkauft sind. Manche Künstler stellen dann nicht in Galerien aus, sondern verkaufen eben ab und an Drucke, weil sie Kohle Geld brauchen. Es ist dann vielmehr eine Glückssache, ob man sein Stück bekommt.

artpjf: Hast du alle Künstler mal persönlich kennengelernt? Ist dir dieser Aspekt wichtig?

I.K.: Ein paar kenn ich persönlich, aber nicht alle. Im Grunde genommen ist mir das überhaupt nicht wichtig. Man hat so seine Vorstellungen von den Künstlern… Ich bin da schon ein paar Mal enttäuscht worden. Wichtig ist mir vielmehr das Kunstwerk an sich.


artpjf: Wie siehst du die weitere Entwicklung dieser Kunstform? Einige Galerien haben sich bereits im Laufe der Jahre etabliert und ihr Klientel gebildet (aus unterschiedlichsten sozialen Schichten). Der Kunstmarkt ist schon seit einiger Zeit auf den Street Art Zug angesprungen, man denke zum Beispiel an die Banksy Auktionen in Sotheby’s. Es gibt sogar schon Urban Art Kunstmessen wie die STROKE in Deutschland. Alles nur ein Hype oder doch eine ernst zu nehmende Kunstentwicklung?

I.K.: Ich find es gut, dass Street Art sich in den Galerien etablieren konnte und viele Street Artists sich einen Namen gemacht haben und als Künstler Anerkennung verdienen konnten. Momentan hat man das Gefühl die Entwicklung würde ein bisschen schlafen, der große Hype ist jetzt mal wieder vorbei. Aber ich denke, dass Street Art nicht nur als Hype anzusehen ist, sondern als eigenständige Kunstentwicklung.

artpjf: Welche Ansätze sind dir beim Sammeln der Kunstwerke besonders wichtig? Geht es
allein um den Bekanntheitswert des Künstlers, dem Stück selbst oder hast du eine bestimmte
Sammlerstrategie?

I.K.: Es ist eigentlich ganz einfach, ich kaufe immer das was mir gefällt. Wie man sieht, sind nicht alle Werke von renommierten Künstlern, obwohl ich von ein paar Bekannteren auch gerne was habe. Ich habe eigentlich keine bestimmte Sammlerstrategie. Für mich ist aber die künstlerische Entwicklung eine wichtige Sache. Es sollte nicht immer dasselbe sein, obwohl ich auch verstehen kann, dass es bei vielen Street Art Künstlern dazu beiträgt ihre Marke zu bewahren und möglichst schnell und einfach wiedererkannt zu werden. Bei ROA zum Beispiel, habe ich das Stück eher gekauft, weil es eben ein ROA ist und er als ein wesentlicher Part der Street Art Geschichte zu betrachten ist. Aber meine Käufe sind ansonsten, denk ich, meistens emotional: entweder es berührt mich und ich will es unbedingt haben, oder eben nicht.


artpjf: Was machst du wenn dir mal der Platz in der Wohnung fehlt? Würdest du Stücke
weiterverkaufen?

I.K.: Das Problem habe ich jetzt schon, aber ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht… Vielleicht eine größere Wohnung suchen?


artpjf: Welche Künstler denkst du werden demnächst groß rauskommen?

I.K.: Ich denke Aryz, Jaz und Other sind gut dabei. Da bin ich auf ihre Weiterentwicklung sehr gespannt.

artpjf: Schon Ideen für die nächsten Anschaffungen?

I.K.: Von Miss Bugs und Peru Ana Ana Peru möchte ich unbedingt noch etwas haben.

artpjf: Vielen Dank für die Einladung und das Gespräch!

Mehr Fotos auf flickr.

BANKSY – Exit Through The Gift Shop @ Gartenbaukino Wien

Banksy ist ein Street Art Künstler aus Bristol, England,  der vor allem durch seine politische wie auch gesellschaftskritische Kunst berühmt geworden ist. Seine Arbeiten, oftmals Schablonengraffitis, beinhalten kompakte Botschaften, leicht verständlich für ein breites Publikum. Banksy’s starke mediale Präsenz entspringt aus der Provokation seiner Werke: zu sehen sind seine Arbeiten unter anderem in New Orleans, wo sie nach der Heimsuchung durch den Wirbelsturm Katrina entstanden, aber auch auf der Mauer im palästinensischen Westjordanland.

Durch den starken und stetig wachsenden Marktbedarf für Street Art, werden die Wände seiner Werke entnommen und für hohe Summen in Auktionshäusern und Galerien verkauft. Ein Paradox für den Künstler, der dieses kapitalistische System kritisiert.

Exit Through The Gift Shop“, sein erster Spielfilm, ist eine ironische Darstellung dieses Widerspruchs.

Hauptperson dieser Mischung aus Mockumentary, Dokufiktion und Kunstfilms ist keinesfalls Banksy selbst, sondern Thierry Guetta aka Mr. Brainwash. Ein Erzähler führt über die Geschichte des französischen Hobby-Filmemachers und Künstlers.

Thierry Guetta lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Los Angeles. Der etwas kräftige und im 60s Look aussehende Mann hat ein besonderes Hobby: fast jede Minute seines Lebens zu filmen. Sein Cousin ist der bekannte Street Art Künstler Space Invader. Durch ihn beginnt er sich für Street Art zu faszinieren und filmt weitere Künstler wie Zevs, Swoon, Ron English und auch Shepard Fairey. Er begleitet die Künstler während ihrer Aktionen und hält jeden Moment mit seiner Kamera fest. Mit der Zeit stellt sich die Frage nach einem Endziel und vor allem Sinn hinter der Filmerei.


Thierry beschließt eine Street Art Dokumentation in Angriff zu nehmen und hat ab dem Zeitpunkt nur eines im Sinn: den berühmteste Street Art Künstler Banksy zu filmen – keine allzu leichte Aufgabe, denn der Banksy ist ein Meister der Tarnung. Thierry spricht von einer höheren Bestimmung als Shepard Fairey ihm ein Treffen mit Banksy ermöglicht. Die Künstler sind alle zunächst skeptisch sich bei ihren illegalen Eingriffen im urbanen Raum filmen zu lassen, freunden sich aber zunehmend damit an, dass ihre ephemeren Kunstwerke auf Film festgehalten werden.

Thierrys Doku „Remote Control“ wird zu einem „überlangen Alptraum-Trailer“. Banksy rät ihm daher es selbst mit Street Art zu versuchen und nimmt das nötige Filmmaterial von Thiery um „Exit through the Gift Shop“ zu produzieren.

Thiery freundet sich mit seinem Künstlerdasein immer mehr an und greift die Methoden seiner Street Art Freunde auf, um nicht zu sagen er kopiert sie. Mit Künstlernamen Mr. Brainwash plant er seine große Ausstellung „Life is beautiful“ und stellt einige Arbeitskräfte ein, die für ihn mittels Photoshop und Kopierer „Kunst“ entwerfen und folgt demnach auch in seinen Werken ganz dem Beispiel Andy Warhols.

Die größenwahnsinnige Ausstellung wurde 2008 zum vollen Erfolg, und brachte Thiery über eine Million Dollar ein. Street Art wurde zum reinen Kommerzprodukt getrieben durch medialen Hype. Aus Angst etwas „Großes“ zu verpassen, strömten die Menschen in die Ausstellungen und kauften die Kunstwerke zu jeglichen Preisen – die Kunst selbst gibt es nicht mehr, oder wird zu vollkommener Nebensache. Ist Kunst somit nur ein Scherz? Raus auch aus diesem Dilemma geht es dann nur noch durch den Souvenirladen – „Exit Through The Gift Shop“.

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Banksys Film, der meiner Meinung nach zu sehr als ein Film über Banksy verkauft wird, demnach auch die Erwartung oftmals eine ganz andere ist, zeigt die offene Angst vor einem Aussterben der Werte der Street Art. Mit äußerst humorvollen, ironischen und zynischen Kommentaren gibt Banksy einen Einblick in die Welt der Street Art und reflektiert auf unaufdringlicher Art und Weise das Verhältnis zu Kunst und Kommerz.

„Ich wollte einen Film machen, der für Street Art das bewirkt, was „Karate Kid“ für den Kampfsport bewirkt hat – ein Film, der jedes Schulkind dazu bewegen würde eine Spraydose in die Hand zu nehmen und los zu legen. Aber wie sich herausstellt, haben wir einen Film gemacht, der für Street Art so viel getan hat, wie der „Der weiße Hai“ für den Wassersport.“ (Banksy)

Zu sehen im Gartenbaukino Wien.



From Graffiti to Street Art @ Urban Art Galerie INOPERAbLE Wien

Die Urban Art Galerie INOPERAbLE in Wien hielt im Rahmen der Vienna Art Week 2010 ein Vortrag “From Graffiti to Street Art“ rund um die Entwicklung von Graffiti und Street Art. Vortragende waren Nathalie Halgand und 401RUSH (aka Nicholas Platzer).

Gezeigt wurde der Trailer des Films Inside Outside, der als äußerst passender Einstieg in den Vortrag diente. Der Film handelt über das Leben, die Beweggründe, sowie verschiedenen Stilrichtungen aller in Street Art involvierten Teilhaber. Vom einfachen Tagger und etablierten Street Art Künstler bis hin zum iPod-Plakaten-Anbringer und Polizisten werden alle Aspekte der Straßenkunst abgehandelt.

Als älteste Form des Graffitis wurde die Höhlenmalerei als  Ursprungsidee der heutigen Kunstform präsentiert.

Graffiti als Pluralform des italienischen Wortes graffito (aus dem griechischen γράφειν (graphein) was soviel wie schreiben bedeutet) wurde wie heute meist von den jugendlichen Mitgliedern der Gruppe auf Wänden angebracht.

Joseph Kyselak, der von 1799-1831 lebte, soll der erste dokumentierte Graffiti Künstler gewesen sein. Der Österreicher malte seine Initialen an den Wänden der Stadt auf und wurde so innerhalb kürzester Zeit in Wien populär.

Cornbread galt dann Ende der 1970er Jahre als der erste von Gangrevieren unabhängige Graffiti-Künstler und versuchte so oft wie möglich seinen „Fake-Namen“ überall in der Stadt zu platzieren.

Neben diesen jedoch gilt als der erste bekannte Tagger TAKI 183, der rasant in der Bronx bekannt wurde. Seine Tags wurden überall in der Stadt bemerkt und sein Stil nachgeahmt. Er gewann noch mehr an Popularität als die New York Times einen Artikel über ihn verfasste.

Bald reichte kein simpler Tag um in der von Zeichen übersäten Stadt erkannt zu werden. Qualität ging vor Quantität. So kam es dann zur Entwicklung der Pieces, großformatiger und aufwendiger Schriften mittels Spraydosen gefertigt, die im Sprachgebrauch heute als Graffiti bezeichnet werden. Diese vor allem territoriale „Kunstform“ wendet sich in den meisten Fällen einem geschlossenen Publikum, da die speziellen Schriftzüge, meist Codes, nicht von jedem gelesen werden können.

So erklärte auch Nicholas Platzer den Unterschied von Graffiti zu Street Art. Street oder Urban Art wendet keine codierte Schrift an und sei leichter zu verstehen, somit für jedermann zugänglich.

Die Etablierung von Graffiti und Street Art im Kunstmarkt präsentierte man in drei verschiedenen zeitlichen Etappen.

1972 gründete Hugo Martinez die Bewegung der United Graffiti Artists und gab den Graffiti Künstlern einen Ort, um ihre Kunst primär auf Leinwänden zu zeigen. United Graffiti Artists wurde ebenso in einem Artikel der New York Times erwähnt – Graffiti Hit Parade.

Anfang der 1980er Jahre widmeten  sich Galerien wie die Fashion Moda Gallery (1978) oder Fun Gallery (1981-1985) ebenso der aus den USA stammenden Kunstform.

Doch nicht alle profitierten vom regen Zuspruch des Graffitis und der Street Art. Nach einiger Zeit wurde es immer schwieriger Käufer für Graffiti Artworks zu finden – die hohen Renten der Galerien waren nicht mehr finanziell tragbar. Der Hype um Graffiti, sowie ihre Mainstream-Welle minderte die Qualität der Werke. Hauptsächlich jedoch, sah man das Problem im Inhalt. Graffiti an sich, habe nicht viel Substanz und vermittle keine Botschaften wie sonstige Kunstformen. Ebenso empfand man es als besonders schwierig eine Relation zu den meist aus Ghettos und ärmeren Vierteln stammenden Künstlern zu finden. So prallten zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander.

Nach einer Zeit begannen die Graffiti Künstler kommerziellere Jobs anzunehmen und arbeiteten meist als Graphik-Designer.

Street Art und Graffiti begann sich auch langsam in Europa zu etablieren.

Um 2000 kam es zum erneuerten Aufschwung und der Begriff „Street Art“ wurde erstmals erwähnt. Diesmal hatten die Künstler ein besseres Verständnis zum Kunstmarkt, waren unter anderem auch Illustratoren oder studierten bildende Kunst. Man versuchte diese neue Kunstform, die sich nicht nur codierten Schriftzeichen widmete, richtig zu benennen. So entstanden Definitionen wie Post Graffiti, Urban Art und Street Art, wobei sich Street Art bis heute am meisten in der Szene und in den Medien etabliert hat. Zu erwähnen ist jedoch, dass es ebenso Unterschiede zwischen den Definitionen gibt.

So deutet der Begriff Post-Graffiti auf eine „neue“ Form des Graffiti und „Aussterben“ der ehemaligen Form, obwohl Graffiti an sich noch heute praktiziert wird. Street Art beinhaltet jegliche Kunst, die auf den Straßen ausgetragen wird. Urban Art hingegen lässt auch die Street Art beeinflusste Kunst miteinbeziehen und dient als Definition für „Street Art in Galerien“.

Nathalie Halgand und Nicholas Platzer präsentierten zudem die populärsten Künstler in der Street Art Szene wie Shepard Fairey mit seinen berühmten„Hello, my name is…“-Sticker oder Obama-Plakaten, weiters Space Invader, bekannt für sein Motiv des gleichnamigen berühmten Videospiels, Mark Jenkins, bekannt für seine experimentellen Puppen, Os Gemeos, Swoon und natürlich Banksy, der heute berühmteste und in den Medien meist erwähnte Street Art Künstler.

Schlussendlich zeigte man, dass Street/Urban Art in der Kunstszene sich zu einer modernen Kunstform konstituiert hat. Nicht nur sind die Werke in Galerien zu finden, sondern auch in Auktionshäusern und Museen wie dem Tate Modern, Fondation Cartier, oder der Kunsthalle Wien (Ausstellung Street and Studio-Von Basquiat bis Séripop).

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Obwohl das Publikum nicht allzu groß schien und höchstens 15 Besucher in der Galerie anzutreffen waren, gab der Vortrag “From Graffiti to Street Art“ einen äußerst guten und leicht verständlichen Einblick (wenn auch auf Englisch) in die Geschichte der Entwicklung dieser Kunstformen.

Inoperable präsentiert zurzeit in Kooperation mit der Taxie Galérie und Galérie GZ aus Paris die Arbeiten der berühmten Street Fotografin Martha Cooper. Mehr zur Ausstellung und anderem rund um Street/Urban Art, Graffiti, Poster Art, Tattoo Art in Wien auf inoperable.at.

Street and Studio – Von Basquiat bis Séripop @ Kunsthalle Wien

Street and Studio  – Von Basquiat bis Séripop behandelt die Bereiche künstlerischer Aktion in denen es zu Überschneidungen im öffentlichen Raum und Atelier kommt. Die Straße, der öffentliche Raum, steht für schnelles, spontanes Schaffen, das oft auch illegal und unter großem Zeitdruck vor sich geht. Das Atelier ist das traditionelle Umfeld des Künstlers, in dem dieser nach seiner Inspiration und künstlerischen Produktivität in Ruhe arbeiten kann.

Im Zentrum von Street and Studio steht die Arbeit von Jean-Michel Basquiat (1960-1988), der Straße und Atelier nicht als Gegensatz betrachtete, sondern seine Themen und Motive aus ihr gewann und daraus eine unverwechselbare künstlerische Handschrift entwickelte.

Basquiats Werke werden mit Arbeiten von KünstlerInnen nachfolgender Generationen von Sophie Calle über Dara Birnbaum und Robin Rhode bis Shaun Gladwell in Beziehung gesetzt, welche die Faszination für die ästhetische Revolte im öffentlichen Raum widerspiegeln. Jüngere Vertreter von Neoexpressionismus bis Streetart von Séripop und Banksy zeigen, wie sich die Dynamik von Plakaten, Graffititechniken und Performances unter den zeitgenössischen Ausdrucksbedürfnissen und neuen Medien transformiert haben.

Die Grenzen zwischen Atelier und Straße lösen sich auf, der öffe ntliche Raum wird zu einem Ort der Kommunikation und der Verbindung zu einer Gegenwelt künstlerischer Freiheit: „…die Straßen erscheinen mir wirklich toll, sie sehen aus wie Kunstwerke….ich wollte die Stadt rot anmalen, ich wollte sie schwarz anmalen.“ (Jean-Michel Basquiat).

Als freier und entkommerzialisierter Bereich ist der öffentliche Raum dem Spannungsverhältnis zwischen Möglichkeiten und Verboten ausgesetzt. Die KünstlerInnen re-interpretieren bekannte Zeichen und Codes. In einem Aufstand der Zeichen reichte schon bald ein normaler tag im Wettstreit um Ruhm nicht mehr aus, da es in der Masse unterging. Qualität wurde wichtiger als Quantität. Man begann die Schriften, größer und aufwändiger zu gestallten wonach sich der Ausdruck piece entwickelte. Die Techniken entwickelten sich weiter und es kam zu einer Vielfalt urbaner künstlerischer Interventionen, die heute als Streetart bekannt ist.

Stencilart, das Arbeiten mit pochoirs beziehungsweise Schablonen, ist eine spezielle Technik von Graffiti und Streetart, die ihre oft semiabstrakten Tags durch konkrete Formen und klare Motive ersetzt. Die erzählende Eigenschaft der Arbeiten, die häufig an Comic-Ausschnitte erinnern, wird erhöht.

KünstlerInnen

Rita Ackermann / Charlie Ahearn / Eric Andersen / Kader Attia / Banksy / Jean-Michele Basquiat / Data Birnbaum / Blek le Rat / BLU / Sophie Calle / Francesco Clemente / Jane Dickson / Brad Downey / Christian Eisenberger / Futura / Dani Gal / Ingo Gienzendanner (GRRRR) / Shaun Gadwell / Keith Haring / Jenny Holzer / Mark Jenkins / Leopold Kessler / Lady Pink / Sol LeWitt / Basim Magdy / Art Marcopoulos / miz JUSTICE /Ramm:ell:zee/ Robin Rhode / Evan Roth / Séripop / Rita Vitorelli/ Andy Warhol

Jean Michel Basquiat wurde in Brooklyn als Sohn eines haitianischen Vaters und einer puerto-ricanischen Mutter geboren, mit der er schon als Kind regelmäßig New Yorker Museen besuchte. Als er 1968 Opfer eines schweren Autounfalls wurde und einen Monat im Krankenhaus bleiben musste, schenkte ihm seine Mutter Gray’s Anatomy, ein 1901 von Henry Gray herausgegebenes Nachschlagewerk mit eindrücklichen 1.247 anatomischen Gravuren. Die Illustrationen übten eine nachhaltige Wirkung auf ihn aus. So nannte er etwa die in den späten Siebzigerjahren von ihm gegründete Band „Gray“ (Musikvideo).

1982 begann seine internationale Karriere: Basquiat war der jüngste von 176 KünstlerInnen, deren Werk bei der „documenta 7“ in Kassel präsentiert wurde. Immer auch mit der Subkultur in Berührung, gestaltete er Plattencovers für befreundete Künstler wie die Rapper Fab 5 Freddy, Toxic, A-One und Ramm:ell:zee und verkehrte regelmäßig als Gast DJ und Interpret bei den hippen Clubs von New York und Los Angeles.

Ab 1983 intensivierte sich seine Freundschaft mit Andy Warhol was zu verschiedenen gemeinsamen Projekten führte. 1984 stellte Basquiat als einer der ersten afroamerikanischen Künstler im Museum of Modern Art in New York aus. Es folgte eine Phase intensiver Ausstellungs-und Reisetätigkeit bis ins Jahr 1987. Ein Jahr nachdem Andy Warhol, sein wichtiger Mentor, am 27.Februar 1987 überraschend ums Leben gekommen war, starb Basquiat 27-jährig an einer Drogenüberdosis. Trotz seines frühen Todes erschuf der Autodiktat ein imposantes Werk mit einer unbekehrbaren Handschrift. Sein Freund der Rapper und Sprayer Fab 5 Freddy aka Fred Bradawake, äußerte sich folgendermaßen treffend dazu: „Ich glaube Jean-Michel lebte wie eine Flamme. Er brannte strahlend hell. Dann ging das Feuer aus. Doch die Glut ist noch nicht erloschen.“ (2007)

KuratorInnen: Cathérine Hug, Thomas Mießgang

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Neben den vielen Werken von Jean-Michel Basquiat, einer enormen Collage-Installation von Séripop, „versteckte“ Menschenfiguren von Mark Jenkins und einigen Videos über Streetart von Banksy bis Blu, zeigte sich mein Interesse auch den „kleineren“ und weniger prominenten KünstlerInnen der Streetart Szene. So gefiel mir besonders ein Video über den schweizer „Strichmännchenkünstler“ Harald Naegeli, der aufgrund seines Sprühens minimalistischer Figuren im öfftenlichen Raum, verhaftet wurde. Naegeli wuchs noch ganz im Einfluss des Dadaismus auf. So erschien ihm Graffiti oder Streetart als neue Form künstlerischer Rebellion gegen eine uniformierte Stadt als besonders ansprechend. Seine Gefängnisstrafe sah er nicht als Demütigung an, doch fragte er sich welcher Künstler aufgrund seiner Kunst schon ins Gefängnis landen musste. „So endet man mit Gekrikel und Gekrakel…(er lacht)…ist natürlich nur eine Vorstufe.“

Die Ausstellung zeigte neben international bekannten auch lokale Streetartkünstler wie miz JUSTICE oder Christian Eisenberger.

Street and Studio befasst sich mit einer umfangreichen Sammlung der Streetart in all ihren Formen. Die Ausstellung hilft zum Verständnis der Entwicklung dieser künstlerischen Bewegung und bietet eine äußerst ansprechende Darbietung einer modernen und hochaktuellen Kunstepoche.

Unbedingt empfehlenswert für solche die Streetart als eigenständige Kunstrichtung bereits für sich entdeckt haben.

Street and Studio – Von Basquiat bis Séripop

25.Juni bis 10. Oktober 2010 in der Kunsthalle Wien

Keith Haring @ Kunsthalle Wien

Die vom 28. Mai bis 19. September 2010 laufende Ausstellung in der Kunsthalle Wien zeigt eine vielschichtige Schaffensperiode des vor 20 Jahren verstorbenen  Street Art Künstlers Keith Haring. Keith etablierte sich in den Jahren 1978 bis 1982 in New York und erlebte zu dieser Zeit seinen Aufstieg als internationaler Pop-Art Künstler. Die Schau befasst sich  mit seinen frühen experimentellen Jahren.

„Der 1958 in Reading, Pennsylvania, geborene Keith Haring zeichnete schon in jungen Jahren Cartoons und lernte, wie sich durch eine einfache Linie Bewegung, Gestik und Gefühl vermitteln lassen. Bereits damals entschloss er sich, Künstler zu werden. Um die Sorgen seiner Eltern zu zerstreuen, ob er sich damit seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, besuchte er für kurze zeit eine Schule für Werbegrafik in Pittsburgh bevor er nach New York ging. 1978 begann er an der School of Visual Arts zu studieren und die seiner Meinung nach aufregendste Stadt der Welt zu erkunden. Bald wurde Haring zum fixen Bestandteil der Kunstszene und schwulen Subkultur. In seinen ersten Jahren in New York experimentierte Haring mit musterartigen geometrischen Formen, beschäftigte sich mit Performance und Video und hielt seine Überlegungen zur Kunst in Tagebüchern fest. In den 1980-er Jahren fand er zu seinem unverwechselbaren Vokabular, für das er heute bekannt ist. Während seiner kurzen, aber kometenhaften Karriere, die mit Hunderten anonymen Kreidezeichnungen in New Yorker U-Bahn-Stationen begann, zeigte Haring seine Arbeiten auch in Museen und Galerien auf der ganzen Welt. Trotz seines beruflichen Erfolgs blieb der Künstler immer seiner Philosophie treu, dass Kunst für alle sei. Er schuf über 50 Wandmalereien im öffentlichen Raum, arbeitete mit Kindern und eröffnete in New York und Tokyo seine umstrittenen Pop Shops.

Keith Haring:1978-1982 umspannt die Zeit, in der Haring seinen künstlerischen Stil entwickelte, der ihn von abstrahierten Formen zum Figurativen führte. Die Ausstellung beleuchtet sein Interesse an verschiedenen Medien, seine Rolle als Kurator in der pulsierenden New Yorker Kunstszene und seine kraftvolle und provokatie Bildsprache.

Kuratorin/Curator: Raphaela Platwo¹“

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Fasziniert war ich von seiner Arbeit „A Circle Play“ 1979 VHS in DVD. Zu sehen war ein junger Mann sitzend in der Mitte eines riesigen weißen Papiers, ein Buch haltend. Während Keith das Blatt mit schwarzer Farbe bemalte und somit seine typischen von Comic inspirierten „Bewegungsmuster“ entstehen ließ, las der junge Mann ein Buch vor.

Das Wort „Circle“ kam dabei oft zur Sprache und Haring malte währenddessen rund um den Vorleser herum, bis kein Platz mehr für ihn da war. Mich begeisterte es den Künstler selbst bei der Arbeit betrachten zu dürfen, wie er ohne lang zu überlegen ein ganzes Blatt fühlte. Die Bewegungen seiner Hand wirkten wie einprogrammiert und ich konnte nicht nachvollziehen wieso er Streifen malte, wenn aber doch wieder das Wort „Circle“ fiel. Der vorgelesene Inhalt ergab nicht viel Sinn, aber beide Aktionen schienen ohne einander noch viel skurriler zu sein, als sie ohnehin schon waren.

Ein weiteres Video, indem Haring wieder das Blatt fühlte, zeigte wie er plötzlich selbst zu seiner Kunst eingebaut wurde und metaphorisch nicht mehr „aus ihr raus konnte“.

Neben den Videos, konnte man ebenso seine Tagebucheintragungen betrachten. Keith war Leser und beschäftige sich mit der Literatur, was in seinen Arbeiten, vor allem seinen Collagen und Flyern widergespielt wird. Er experimentierte mit der Sprache und provozierte somit sein Publikum [„Pope killed for freed hostage“].

Er kreierte ein eigenes Alphabet und widmete der geschriebenen Sprache eine eigene Ästhetik. Nicht nur die Schrift, sondern auch gesprochene Wörter waren Teil seiner Kunst. So filmte er seine Freunde während sie bestimmte Buchstaben oder Wortcollagen selbst wiederholt wurden [Machines, Lick Fat Boy, Phonics Artikulation].

[“Haring documented his aesthetic discoveries in journals filled with precise notes and careful illustrations. One of the early artistic experiments he detailed in his journal involved the exploration of a set of geometric forms ranging from a simple L-shape to complicated, interlocking designs. A group of twenty-five red gouaches in this exhibition illustrates the diversity of the forms he developed during this period. He was interested in how the resulting alphabet of shapes could be assembled in various combinations to simultaneously create vivid patterns of forms and of the eloquent negative spaces between them. He was particularly concerned with the effects these patterns had on the way someone would view as a whole. As he wrote in his journal:

(A) Eye tends to be drawn to “individual” shapes instead of the structure created by an entire “group” of shapes.

(B) If each shape operates only in a positive/negative relationship when viewed as a member of a group, the effect is one of more unity and more flowing movement. Eye tends to view as a whole, instead of grouping individual shapes.

Both of these principles can operate effectively on separate levels or on a combined level, but consideration of these facts is important.”²]

Keith war nicht nur Künstler sondern auch selbst Kurator und zeigte somit sein Engagement für  eine weniger exklusive Kunstszene. Er kündigte die Veranstallung über zahllose kopierte Flyer an, die als einzigartige Kunstwerke erhalten geblieben sind.

[Club 57 INVITATIONAL – 1980. GUEST CURATOR: KEITH HARING. Thursday – May 29 – 1980: 9 pm. Club 57 – 57 St. Marr’s Pl. NYC. INFORMATION TO INVITED ARTISTS: please bring work to CLUB 57, on May 29 between 12noon and 4am (with required hanging materials (?)) no work accepted after 7pm, the club will be open the following day to pick-up the work. ALSO a small Xerox booklet will be assembled and be available for sale at the show to pay for the show. Contributors receive one free copy. Artists (?) are asked to submit any material (one page) suitable to be xeroxed before May 20, 1980. To: Keith Haring (…)³].

Das wohl auffallendste und in seiner Größe erstaunlichste Werk war der über einige Meter lange Papierstreifen, bemalt mit seinen geometrischen Mustern. Haring zeichnete keine Skizzen, somit ist jedes Werk einzigartig und unverwechselbar in seiner Form. Als er erfuhr, dass er an AIDS erkrankt worden ist, engagierte er sich mit seiner Kunst für gemeintätige Aktionen und deklarierte so sein Erbe:„Die Welt ist dieses Ding um mich herum, das ich für mich gemacht habe und für mich sehe. Die Welt wird es jedoch auch weiter geben, ohne dass ich da bin, um sie zu sehen, sie wird dann nur nicht „meine“ Welt sein. Das interessiert mich an der Situation, in der ich mich jetzt befinde, am meisten. Ich mache Dinge in der Welt, die nicht mit mir verschwinden werden.“

Keiths Idee war Kunst für jedermann zu machen, er nutzte den öffentlichen Raum als Forum über das er sich an alle und jeden wenden konnte. Sein Einfluss zeigt sich bis heute an zeitgenössischen Künstlern wie Jeff Koons, aber auch bekannten Vertretern der Streetartszene wie Banksy, SWOON oder Shepard Fairey, die es ebenso bis zu den internationalen Galerien und Auktionshäusern geschafft haben.

Quelle: Keith Haring: 1978-1982 Die frühen experimentellen Jahre KUNSTHALLE wien, halle 2, 28. Mai – 19. September 2010