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Brigitte Kowanz @ MUMOK Wien

Die österreischiche Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz und ihre MUMOK-Retroperspektive „Now I see“ 25. Juni bis 3. Oktober 2010.

Die Ausstellung zeigt Spiegel, Licht und Schatten, sowie Codes und Schrift. Das Licht bildet die Grundlage ihrer Rauminstallationen, Wandarbeiten und Objekte, die sie seit den frühen 1980er Jahren entwickelt hat. Während die Sprache dabei die Eigenschaften des Lichts beschreibt [„Es ist die mächtige Kraft der Elektrizität die in allen Formen schlummert, 1998“; „Lumen, 1997“], beleuchtet das Licht die Funktionsweise der Sprache. Zusätzlich zu der Spiegelung von Licht und Sprache kommt der Spiegel als Medium der Reflexion dazu. Dadurch wird eine eigene Beziehung zwischen Kunstwerk, Raum und Betrachter und somit eine neue (Selbst-)Wahrnehmung geschaffen.

Den Höhepunkt der Ausstellung bildet ein Spiegelraum, indem die Reflexion des Lichts, der Schriften und Spiegel sich mannigfach vervielfältigen. Der Betrachter wird selbst Teil dieses Kunstwerks. „Die hybride Erscheinung des Raums wird zum Spiegel der eigenen Identität.“¹ Das heißt, dass die gekreuzte, neuerschaffene Erscheinung des Raums durch die Gegenüberstellung der Spiegel eine Konfrontation mit dem eigenen Ich erzwingt.

Als darstellende Sprache verwendet Brigitte Kowanz die Morseschrift. Das Morsealphabet taucht in verschiedenen Formen und Materialien auf; als Zeichen in teils abgeklebten einfachen oder in kreis-und reckteckförmig gebogenen Neonröhren. Der Schein des Lichts verstärkt dabei einen elektrischen Charakter der Morsezeichen, dessen Inhalt sich meist auf die Eigenschaften des Lichts selbst bezieht, was mit Titeln wie „Between Light and Darkness“, „Lateral Thinking“, „Lux“ deutlich wird.

In weiteren Werken wird die Maßeinheit der Lichtgeschwindigkeit in Zahlenreihen abgebildet, und zugleich angegeben, wie lange das Licht dafür braucht. Geschwindigkeit wird somit in Form (von Zahlen) gefasst und, mit dem Licht, auch ein Abbild seiner physikalischen Natur erstellt.

Zwei Arbeiten im öffentlichen Raum – eine Lichtmarkierung an der MUMOK Fassade, sowie ein leuchtendes Sprachbild am UNIQA Tower ergänzen die Ausstellung.

Hintergrundinformation zu Brigitte Kowanz

Geboren 1957 in Wien, studierte Kowanz vier Semester bei Wander Bertoni an der Universität für angewandte Kunst, „doch bei ihm waren die künstlerischen Grenzen sehr eng gesteckt. Er hat nur Bildhauerei zugelassen. Ich aber wollte medienübergreifend arbeiten und war ständig in Konfrontation mit ihm“. Also wechselte sie in die Klasse Oswald Oberhubers, der damals noch die Galerie nächst St.Stephan leitete, stets interessante Gastvortragende wie beispielsweise Joseph Beuys an die Schule holte. Und ihr heute noch als Role-Model für das Unterrichten dient: Denn seit 1997 leitet Kowanz die Klasse für Medienübergreifende Kunst an der Universität für angewandte Kunst:“Ich mag die Auseinandersetzung mit den Studierende. Wichtig ist, dass man dagegenhält, wenn sie zu sehr in eigene Richtung kommen. Als schwierig empfinde ich nur die Bewertung. Es ist nicht so einfach, Kritik zu formulieren, dass sie positiv unterstützt und lenkend wirkt. Ich bemühe mich immer, zu argumentiere, mich mit den Studierenden und ihren Arbeiten respektvoll auseinanderzusetzen und ihre Projekte nicht nur mit Ja oder Nein abzunicken.“

Längst zählt Brigitte Kowanz mit ihrer ebenso intellektuellen wie poetischen Kunst zu den erfolgreichsten österreichischen Kunstschaffenden ihrer Generation, seit ihrer ersten Ausstellung 1979 im Forum Stadtpark ging es steil und stetig bergauf: Triennale in Mailand, Biennalen in Venedig, Sao Paolo und Sydney, Prospect Frankfurt, Galerien- und Museumsausstellungen in Europa, USA und China. Und seit sie im Vorjahr mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet wurde – eine für Künstlerinnern immer noch äußerst rare Ehre: In der Sparte Bildende Kunst hat es vor ihr nur Maria Lassnig in den Staatspreis Olymp geschafft -, ist sie auch Mitglied des 21-köpfigen österreichischen Kunstsenats, als eine von insgesamt fünf Frauen im männerdominierten Bunde. „Was immer das auch bedeutet“, quittierte sie damals lapidar die ihr zuteil selten gewordene Ehre.

Kunst sieht sie als Weg vom Faktischen zum Möglichen:“Aber nur von innen geht es nicht. Ich brauchen Input von außen.“, sagt sie und holt sich die intellektuellen Formeln zur künstlerischen Form aus der Philosophie, etwa von Paul Virilio, der Fernsehen als indirektes Licht beschrieb, „das uns Ereignisse, die anderswo stattfinden, beleuchtet.“ Oder in der Wissenschaft:“ Wie Einstein gesagt hat: „Wenn es wahr ist, ist es schön.“ Das stimmt. Eine gute Formel ist schön.“

Brigitte Kowanz ist eine stille Künstlerin. Kein Wort zu viel. Keine Geschwätzigkeit. Stattdessen intellektuelle Präzision, intelligente Kunst:“Mir geht es darum, mit ganz einfachen Mitteln zu arbeiten und komplexe Bilder zu erzeugen.“

her ARTic impression:

In Brigitte Kowanz‘ Spiegelsaal spürt man durch eine Vervielfachung des Lichts und der im Raum befindlichen Objekte eine einzigartige Atmosphäre. Der Raum wirkt durch die Aneinanderreihung von Spiegel allmählich unendlich. Am intensivsten muss diese Atmosphäre zu spüren sein, wenn man alleine im Spiegelsaal steht und niemand einem die Sicht auf das Eigene verstellt. Der Besucher wird selbst Bestandteil der glänzend hellen Rauminstallation und begegnet sich immer wieder selbst in den Spiegeln.

Die Kombination des Zusammenwirkens der Schrift und Sprache mit dem Licht und der Spiegeln beeindruckt . Zu sehen sind vor allem große, wenig detailreiche Arbeiten. Die Botschaft soll klar und prägnant ausgedrückt werden. Dimension spielt eine große Rolle.

Obwohl nicht alle Arbeiten, den Hintergedanken der Ausstellung gut präsentieren, ist allein der Spiegelraum Brigitte Kowanz‘ ein Besuch im MUMOK Wien wert – Licht als Medium moderner Kunst.

Quelle: ¹MUMOK Brigitte Kowanz „Now I see“, ²“Endlich Unendlich“ von Andrea Schurian